Review of 'Freispruch für den Hund der Baskervilles' on 'Goodreads'
3 stars
Eigentlich eine schöne Idee für einen 100-Seiten-Essay, leider auf 200 Seiten aufgebläht: Das erste Viertel enthält eine sicher hilfreiche Zusammenfassung des Doyle-Romans, das letzte Viertel enthält das, was der Titel verspricht: Eine alternative Deutung der Handlung.
Dazwischen findet sich wenig Interessantes, das dafür oft wiederholt, und der immer wieder vor sich her getragene Stolz auf die eigene Erfindung der "Kriminalkritik", das Prinzip, Krimis anders zu lesen als vorgesehen - als sei das nicht erstens ohnehin dem Krimi inhärent (denn dort gibt es ja schon traditionell zwei Geschichten, die wirkliche und die dem Leser vorgegaukelte) und zweitens eine über hundert Jahre alte Tradition. 1911 begann Ronald Knox mit "Studies in the Literature of Sherlock Holmes" das, was Holmes-Aficionados "The Game" nennen: Die Werke gegen den Strich lesen, Fehler entdecken. Seit 1946 veröffentlicht das Baker Street Journal Aufsätze dazu, und zu Lücken und Unklarheiten in The Hound of the Baskervilles gibt es etliche. (Auch außerhalb des Holmes-Kanons oder Krimigenres gibt es viele ähnliche Werke.)
Interessant ist Bayards Beitrag dazu allemal. Aber das Ignorieren jeglicher anderer Beiträge zum Thema stört; die Emporhebung herkömmlicher literaturwissenschaftlicher Gedanken zu etwas Einzigartigem stört. Und wenn Bayard eine Beschreibung der Reichenbachfälle zitiert und danach schreibt: "Ein Ort, der, wie nicht zu übersehen ist, das Bild einer sumpfigen Landschaft heraufbeschwört", dann ist das einfach Käse - mag aber an der Übersetzung liegen; in der englischen steht "drenched landscape", was eher passt, aber so oder so ist der Bezug zum Moor so weit hergeholt, dass man ihn allenfalls mit etwas bescheidenerem Tonfall akzeptieren würde.
Zweieinhalb Sterne, weil an sich gute Idee, nur nervige Ausführung.